Fleischsalat
Dieses Rezept widme ich meinem Papa.
Mein Vater ist jetzt schon 11 Jahre tot. Nächstes Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden. Was auf der einen Seite zeigt, dass er relativ spät mein Vater wurde – denn sooo alt bin ich nun auch wieder nicht *räusper* – und auf der anderen Seite, dass er ein langes (und zumeist glückliches) Leben hatte. Außerdem wirft das ein Licht darauf, welcher Generation er angehörte. Jahrgang 1921. Mein Vater war 18 Jahre alt, als der 2. Weltkrieg begann. Er konnte sein Abitur nicht machen, weil er vorher eingezogen wurde. Um seine Jugend und wilden Jahre betrogen, hat er im Krieg als Sanitäter gedient und ich glaube, niemand kann sich auch nur annähernd vorstellen, was für schlimme Dinge er dort zu sehen bekam. Er hat wenig darüber gesprochen.
Um die Lebensgeschichte etwas abzukürzen, komme ich zum Punkt: Diese Generation Männer wuchs mit einem sehr traditionellen Frauenbild auf. Frauen bekamen Kinder, kümmerten sich um den Haushalt (wobei mein Vater allen Ernstes noch mit einem Dienstmädchen aufgewachsen ist, wenn ich das richtig erinnere) und kochten. Männer gingen arbeiten und setzten sich mittags (mein Papa kam tatsächlich jeden Mittag zum Essen nach Hause und fuhr dann wieder ins Büro) und abends an den gedeckten Tisch. Mein Vater konnte nicht kochen und hat sich auch nie sonderlich dafür interessiert.
Aber es gab zwei Dinge, für die er sich höchstpersönlich in die Küche begab: Bratkartoffeln und Fleischsalat. Das klingt nach einer vollständigen Mahlzeit, ist es aber nicht. Die Bratkartoffeln entstanden abends aus übrig gebliebenen Salzkartoffeln vom Mittagessen. Ich habe meine Mutter im Verdacht, dass sie absichtlich immer eine mehr gekocht hat, als nötig gewesen wäre. Diese Kartoffel schnitt mein Papa in dünne Scheiben, die er in einer kleinen Pfanne in etwas Fett goldbraun und knusprig briet. Jede einzelne Scheibe wurde sorgfältig gewendet und bis zu Perfektion gebraten. Anschließend mit etwas Salz bestreut und als kleiner Snack vor dem Abendessen verputzt. Ich habe das geliebt.
Als mein Vater später im Ruhestand war, fing er an, Fleischsalat selber zu machen. Meine Mutter kaufte große Ringe Fleischwurst, die er per Hand (!) in Streifen schnitt und mit sauren Gürkchen und Mayonnaise vermischte. Ich weiß gar nicht, ob er ein Rezept dafür hatte, oder ob er die Zutaten so pi mal Daumen zusammengeworfen hat. Ich habe seinen Fleischsalat jedenfalls als köstlich in Erinnerung; er war ein fester Bestandteil des Abendbrotes.
Und ab und zu werfe ich meine guten Ich-will-weniger-Fleisch-essen-Vorsätze über Bord und mache Fleischsalat. Und weil wir inzwischen das Jahr 2020 schreiben, ist das natürlich eh viel besser als welchen zu kaufen. Hast Du mal die Zutatenliste von einer Packung Fleischsalat im Supermarkt gelesen? Eben!
Mein Fleischsalat kommt mit selbstgemachter Mayonnaise aus Bio-Eiern daher, die wirklich total einfach zu machen ist. Du brauchst nur einen Pürierstab. Außerdem verwende ich statt der klassischen Fleischwurst aus Schweinefeisch Bio-Geflügelfleischwurst, die man hier tatsächlich bei Aldi bekommt. Keine Werbung, just sayin‘. Du kannst diesen Fleischsalat also komplett in Bio-Qualität und ohne irgendwelche Zusatzstoffe herstellen, was die ganze Sache doch gleich viel besser macht!
Das Rezept reicht für eine große Schüssel, die aber ratzfatz leer ist.
Man nehme
Für die Mayonnaise:
- 1 zimmerwarmes (das ist wichtig!) Bio-Ei
- 100 ml Sonnenblumenöl oder Rapsöl
- 1 EL Zitronensaft
- 1 TL Dijonsenf
- Salz und Pfeffer
Für den Fleischsalat:
- 250 g Fleischwurst in Bio-Qualität
- 1 große Zwiebel, gehackt
- 1 EL Öl
- ca. 5 kleine Gewürzgurken
- 80 g Mayonnaise (notfalls auch gekaufte)
- 100 g Frischkäse mit Joghurt
- 1 EL Schnittlauch plus mehr zum Bestreuen
- 1/4 TL Salz
- schwarzer Pfeffer aus der Mühle
- optional 1 EL Worcestershire-Sauce
- optional 1 EL Weißweinessig
So geht’s
Zuerst machen wir die Mayonnaise. Fülle alle Zutaten in einen hohen, schlanken Messbecher. Wichtig ist, dass alle Zutaten in etwa die gleiche Temperatur haben, damit sie sich gut verbinden. Stelle den Pürierstab auf den Boden des Messbechers, schalte ihn ein und ziehe ihn ganz langsam hoch. Voilà, fertig.
Jetzt kommen wir zum Fleischsalat. Schwitze die Zwiebelwürfel bei mittlerer Temperatur in dem Öl an. Die Zwiebel sollte nicht braun werden, nur glasig und weich.
Fleischwurst und Gürkchen schneidest Du entweder per Hand in schicke Streifen oder aber – wenn Du so faul bist wie ich – schredderst beides in Deiner Küchenmaschine in kleine Stücke. Das geht super schnell und ist für den Geschmack völlig wurscht (Achtung Wortwitz!).
Vermische alle Zutaten miteinander und schmecke ab. Vorsicht mit Salz! Wurst, Mayo, Frischkäse und Gurken bringen ja schon Salz mit. Wenn Du denkst, es fehlt was, hilft 1 EL Worcestershire-Sauce weiter. Manchmal denke ich, da fehlt noch ein bisschen Säure; dann füge ich noch 1 EL Weißweinessig zu. Das mag damit zusammenhängen, dass saure Gurken nicht immer gleich sauer sind. Falls Du Worcestershire-Sauce und/oder Essig hinzugibst, macht das Deinen Fleischsalat natürlich etwas flüssiger.
Aber so oder so schmeckt er wahnsinnig gut. Was sonst?!
2 Comments
Heinemann Renate
Liebe Oda,
Danke für das neue Rezept. der Bericht über Deinen Vater ist anrührend. Ich kann es mir so richtig vorstellen.
Alles Liebe von Renate
Odette
Das freut mich sehr, liebe Renate! Ist es nicht schön, dass Essen solche Erinnerungen weckt?
Alles Liebe zurück, Oda