Oktopus-Stew – eine kleine Reise nach Gozo
Wahrscheinlich hat die Hälfte meiner geneigten Leserschaft bereits weitergeklickt, denn Oktopus ist sicherlich nicht jedermanns Sache. (Kleine Frage am Rande, die mir gerade so in den Kopf geschossen ist: Ist das Wort „jedermanns“ eigentlich genderneutral? Man muss ja so aufpassen… Aber ich liebe alle meine Leser*innen, also fühlt euch bitte alle angesprochen!). Also ich persönlich liebe Oktopus! Überraschung, ne? Ich bestelle ihn in 99 von 100 Fällen „beim Griechen“. Aber ich mache ihn quasi nie selber. Ich denke, das hier war vielleicht das dritte oder vierte Mal. Und dabei habe ich festgestellt, dass das gar nicht so kompliziert ist, wie man immer denkt. Also ab sofort gibt‘s hier keine Ausreden mehr!
Oktopus-Stew habe ich zum ersten Mal während eines Besuchs auf Gozo im Sommer 1993 gegessen. Das war die erste (und auch so ziemlich die einzige) Pauschalreise, die der beste Mann von allen und ich unternommen haben. Falls Du noch nie von Gozo gehört hast – die Insel liegt direkt neben Malta. Frag mich nicht, wie wir darauf kamen, dorthin zu fahren. Vermutlich war es billig. Denn wir waren jung und knapp bei Kasse; die Lieblingstochter war gerade 15 Monate alt. Und Gozo wurde uns als „die kleine grüne Schwester“ von Malta verkauft. Ahahahaha. Sie meinten beige, nicht grün! Aber guck selbst:
Ich verzichte darauf, Dir noch die 100 anderen überwiegend beigefarbenen Bilder zu zeigen (und bitte entschuldige die Qualität der Fotos; es sind abfotografierte analoge Bilder, die im Laufe der Zeit noch schlechter geworden sind, als sie eh schon waren…). Kurz gesagt, die Landschaft hat uns nicht so abgeholt. Aber trotzdem haben wir unglaublich schöne Erinnerungen an diesen Urlaub. Was haben wir dort freundliche und hilfsbereite Menschen getroffen! Magische Momente gehabt! Einen Sternenhimmel gesehen, der seinesgleichen sucht! Und zum ersten Mal im Leben Oktopus-Stew gegessen. Erwähnte ich das schon?
An dieser Mini-Hafenpromenade in Xlendi (siehe oben) gab es genau drei Restaurants, in denen wir jeden Abend – immer abwechselnd – gegessen haben. Man saß an kleinen Tischen und guckte auf‘s Wasser. Und es gab maltesische (oder gozoische oder wie das heißen mag) Küche. So schlicht wie gut. Den Oktopus-Stew habe ich also alle drei Abende gegessen, denn der war so, so gut! Habe ich danach nie wieder irgendwo gesehen oder bekommen. Und all die Jahre davon geträumt. Ein, zwei Versuche gestartet, das nachzukochen und doch nie so richtig hinbekommen. Bis jetzt!
Denn inzwischen gibt es Internet, jaha! Ich habe ein bisschen recherchiert und gekocht und siehe da, hier sind wir nun! Das Rezept reicht für 4 – 6 Personen, je nach Größe des Oktopus‘. Aufgewärmt schmeckt es aber auch nach zwei Tagen noch ganz fantastisch. Und außerdem darf man bestimmt bald wieder Freunde zum Essen einladen!
Zum Oktopus-Stew gibt‘s aber noch eine kleine Geschichte, die ich hier noch erzählen möchte: An einem Abend saßen wir dort also im Restaurant und die Babytochter war ausgesprochen quengelig. Müde und unleidlich. Wir waren beide ziemlich beschäftigt, das Kind bei Laune zu halten, als unser Essen kam. Am Nachbartisch saß eine größere Gruppe von Einheimischen, von denen eine junge Frau aufstand, zu uns an den Tisch kam und uns fragte, ob sie die Kleine mal mitnehmen dürfe? Sie habe auch eine Tochter in dem Alter und wohne direkt um die Ecke. Wir guckten uns kurz an und sagten „Ja“!
Das wäre heute vermutlich völlig undenkbar, aber uns erschien die Situation tatsächlich ungefährlich. Wie gesagt, nebenan saß der Rest der Gruppe und sowohl der Ort als auch die Insel waren klein. Wohin hätte die Frau schon verschwinden können? Wir hatten also Zeit und Ruhe, unseren Oktopus-Stew zu genießen und gerade als wir anfingen, uns vielleicht doch ein kleines bisschen Sorgen zu machen, kam die Frau mit unserer Tochter auf dem Arm zurück. Das Kind hatte einen Keks in der Hand (und wir erinnern uns dunkel an einen schokoladenverschmierten Mund) und strahlte über das ganze Gesicht. Ich denke, die Lieblingstochter hatte dort die besten 20 Minuten ihres Urlaubs!
So, und jetzt kochen wir!
Man nehme
- 1 küchenfertiger Oktopus, roh und tiefgekühlt, von ca. 2,5 kg. Alternativ frisch, allerdings geht die Sage um, dass tiefgekühlter Oktopus leichter zart wird. Alternativ kannst Du natürlich auch vorgekochten und tiefgekühlten Oktopus kaufen. Dann brauchst Du weniger davon und es entfällt Zubereitungsschritt eins.
- 3 Zwiebeln, gewürfelt
- 3 Knoblauchzehen, fein gehackt
- 1 EL Tomatenmark
- 1 Handvoll schwarze Oliven. Alternativ 1 gehäufter EL Tapenade
- 2 EL Kapern
- 1 kleine Dose gehackte Tomaten
- 150 ml Weißwein
- Saft und Schale einer Bio-Zitrone
- 2 EL getrocknete Minze
- 2 EL Petersilie, gehackt. Plus etwas mehr zum Bestreuen des fertigen Gerichts
- 6 mittelgroße Kartoffeln, geviertelt (oder je nach Größe noch etwas kleiner geschnitten)
- 1 gute Handvoll grüne TK-Erbsen (an dieser Stelle ein dickes DANKESCHÖN an die weltbesten Nachbarn, ohne die dieser Stew fast ohne Erbsen auf‘s Bild und in den Bauch gekommen wäre!)
- 2-3 EL Olivenöl
So geht‘s
Gib den Oktopus im Ganzen für 2 Minuten in einen sehr großen und hohen (!) Topf mit kochendem Wasser. KEIN SALZ ZUGEBEN!!! Dann abgießen.
Zerteile den Oktopus in mundgerechte Stücke. Schneide die Arme unterhalb des Kopfs ab und schneide sie in Scheiben. Schneide den Körper oberhalb der Augen ab. Das Stück mit den Augen entsorge ich. Mag sein, dass Nose-to-Tail-Aktivisten jetzt aufschreien, aber da bin ich raus.
Brate die Zwiebeln in dem Olivenöl glasig an und gib dann den Knoblauch und das Tomatenmark zu. Kurz weiter braten. Gib dann die Oktopusstücke zu und brate sie ein paar Minuten unter Rühren an.
Jetzt kommen die Oliven (meine waren leider verschimmelt, deswegen habe ich – aus der Not geboren – Tapenade verwendet, was super funktioniert hat!), die Kapern, die Dosentomaten, der Weißwein, die Zitrone und die Kräuter hinzu. IMMER NOCH KEIN SALZ ZUGEBEN! Lass alles 30 Minuten schmoren.
Füge die Kartoffeln zu, lasse alles weitere 20 Minuten schmoren und gib dann die Erbsen zu und lasse das Gericht nochmal 25 Minuten köcheln. Fertig!
Du brauchst tatsächlich überhaupt nicht zu würzen! Der Oktopus bringt genügend Salz mit; Tomaten, Oliven und Kapern sorgen für reichlich Umami.
Auf Gozo reichen sie Brot dazu, aber es sind Kartoffeln drin – da brauche ich keine weiteren Kohlenhydrate…
4 Comments
Conny
Oda! Du Göttliche!! Jedes Wochenende freu ich mich auf deine kulinarischen Irrwitzigkeiten! Jetz is wieder soweit, und ich komme mit dem Schlucken gar nicht mehr nach!
UND HEUTE HABEN DIE LEBENSMITTELLÄDEN GESCHLOSSEN!!
😘😘
Odette
Connylein, mein Herzblatt!!! 😍 Ich vermisse Dich! Danke für diesen wunderbaren Kommentar, für den ich Dich ganz feste drücke! 🤗😘💝
Günter
Herrlich! Solche Urlaubserinnerungen an „grüne“ Mittelmeerinseln, die es wohl von Griechenland über Kroatien bis Malta gibt, kenne ich auch. Diese Einfachheit, Gastfreundschaft und Lebenseinstellung macht aber auch die Faszination für diese, wenn auch oft beigen, Gegenden aus. Wenn man dann nach vielen Jahren die Erinnerungen mit diesem großartigen Gericht wieder zum Leben erweckt, dann erkennt man, dass auch „beige“ schön sein kann. Meine Liste der Gerichte, die ich von dir nachkochen muss, wird immer länger!
Liebe Grüße Günter
PS: Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich daran mit der Ftira Għawdxija, beim Stopp meiner kulinarischen Weltreise auf Gozo, nicht ganz unschuldig bin.😉
Odette
Du bist tatsächlich nicht ganz unschuldig an meiner Reise nach Gozo! 😁 Und der Sohn, der seit meinem ersten Versuch ebenfalls davon schwärmt und sich ein Geburtstagsessen gewünscht hat. Und weil das Ergebnis wirklich genauso schmeckt wie ich das in Erinnerung hatte, hat der Oktopus-Stew seinen Weg in den Blog geschafft. Auch mein Hirn ist manchmal ein Nudelsieb und ich erinnere mich zwei Tage später schon nicht mehr so genau, wie ich das nochmal gekocht haben. Also besser für alle Ewigkeit festhalten… 😂